Ein Großteil der produzierenden Unternehmen besitzen Fertigungsprozesse, bei denen neben dem gewünschten Hauptprodukt auch weitere Produkte entstehen. Oftmals können die dabei erzeugten Nebenprodukte weiterverwendet werden oder werden als Ausschuss aus dem Produktionsprozess entnommen. Mit Hilfe der Kuppelproduktion lässt sich diese besondere Art des Fertigungsprozesses genau beschreiben und spielt deshalb insbesondere auch im SAP-Umfeld eine wichtige Rolle.

 

Definition

Von einer Kuppelproduktion wird gesprochen, wenn ein Unternehmen in der Produktion mehrere Produkte während eines einzelnen Arbeitsvorgangs simultan herstellt. Kuppelprodukte sind die Produkte, die neben dem Hauptprodukt in der Fertigung entstehen, während Nebenprodukte durch den Herstellprozess der Haupt- und Kuppelprodukte erzeugt werden. Diese besondere Art des Fertigungsprozesses findet sich insbesondere bei der Herstellung von Agrar- und Naturprodukten, aber auch bei der chemischen und pharmazeutischen Industrie wieder.

 

Praxisbeispiele

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, existiert die Kuppelproduktion in der Vielzahl von produzierenden Unternehmen. In den meisten Fällen ist das während dem Fertigungsprozess entstehende Kuppelprodukt gewünscht. Im Gesamtkontext der Kuppelproduktion können jedoch ebenfalls unerwünschte Nebenprodukte entstehen, bei denen versucht wird, deren Output während des Produktionsprozesses zu minimieren (z.B.: Kohlenstoffdioxid bei der Saatgutherstellung). Mit Hilfe der folgenden Praxisbeispiele soll der Begriff der Kuppelproduktion greifbarer gemacht werden:

  • Hart und Weichkäseherstellung: Bei der Herstellung von Käse wird neben dem gewünschten Hauptprodukt ebenfalls Süßmolke und Süßmolkepulver produziert, was insbesondere als kostengünstiger Lieferant von tierischem Eiweiß in der industriellen Lebensmittelproduktion eingesetzt wird
  • Gewinn von Ethanol: Bei der Gewinnung von Ethanol fällt neben dem gewünschten Hauptprodukt im Fertigungsprozess ebenfalls das Nebenprodukt Trockenschlempe an, welches als lagerfähiges Futtermittel in der Nutztierhaltung verwendet wird
  • Beförderung von Fracht bei einem Verkehrsflugzeug: Ein weniger offensichtliches Praxisbeispiel der Kuppelproduktion ist die Beförderung von Luftfracht mit Hilfe von Verkehrsflugzeugen. Das zulässige Startgewicht eines Verkehrsflugzeugs wird in den seltensten Fällen durch die Passagiere und deren Gewicht erreicht. Infolgedessen werden im Rumpf des Flugzeuges Luftfrachtsendungen verladen und somit das zulässige Startgewicht ausgeschöpft.

 

Kuppelproduktion in SAP: Begriffsbestimmungen

  • Hauptprodukt: Das Hauptprodukt ist das Produkt, das während des Produktionsprozesses primär produziert werden soll. Häufig spricht man hierbei auch vom führenden Kuppelprodukt
  • Kuppelprodukt: Kuppelprodukte sind Produkte, die während des Produktionsprozesses des Hauptprodukts simultan entstehen. Sie sind Teil der Kalkulation und werden auch nicht führende Kuppelprodukte
  • Nebenprodukt: Nebenprodukte sind ebenfalls Teil des Produktionsprozesses, entstehen dabei automatisch, sind jedoch kein Bestandteil der Kalkulation
  • Intramaterial: Intramaterialien sind insbesondere in der Prozessindustrie von Bedeutung und treten nur temporär zwischen zwei Prozesseinheiten in Erscheinung. Sie fungieren dabei als eine Art „Zwischenprodukt“, das direkt weiterverarbeitet wird. Von Intramaterialien wird ebenfalls gesprochen, wenn noch nicht vollständig produzierte Materialien auf Grund einer defekten Maschine eingelagert werden müssen

 

Voraussetzungen

Die Voraussetzungen für die Kalkulation bei Kuppelproduktion werden in den Stammdaten, genauer genommen dem Materialstamm und der Stückliste, geschaffen.

 

Materialstamm

Haupt- Kuppel- und Nebenprodukte werden im Materialstammsatz wie folgt gekennzeichnet:

  • Hauptprodukt: Wenn ein Material ein Hauptprodukt ist, dann setzen Sie in der Dispositionssicht oder der Kalkulationssicht des Materialstammsatzes das Kennzeichen “Kuppelprodukt“.
  • Kuppelprodukt: Wenn ein Material ein Kuppelprodukt ist, dann setzen Sie hier ebenfalls das Kennzeichen “Kuppelprodukt“.
  • Nebenprodukt: Für Nebenprodukte setzen Sie das Kennzeichen Kuppelprodukt nicht.

 

In folgender Abbildung wurde das Hauptprodukt „Test10000“ als Kuppelprodukt in der Sicht „Disposition 2“ im Materialstammsatz gekennzeichnet.

 

Stückliste

In der Stückliste werden nicht führende Kuppelprodukte als Positionen mit negativer Menge abgebildet. Führende Kuppelprodukte werden Hauptprodukte genannt. Für Hauptprodukte wird auch in der Stückliste das Kennzeichen Kuppelprodukt gesetzt.

In folgendem Screenshot ist die Stückliste des führenden Kuppelprodukts (Hauptprodukts) Test10000 zu sehen. Nebenprodukte (Test30000) werden hier mit negativer Menge von -1000 aufgeführt. Die Position „30“ ist eine kundenspezifische Einstellung und muss nicht weiter berücksichtigt werden

 

Aufteilungsschema

Für das Hauptprodukt wird im Materialstammsatz ein Aufteilungsschema gepflegt. Die darin enthaltenen Äquivalenzziffern werden von den Marktpreisen der Kuppelprodukte abgeleitet. Das Aufteilungsschema lässt sich über die Dispositions- oder Kalkulationssicht im Materialstammsatz anzeigen. Ist bei einem führenden Kuppelprodukt kein Aufteilungsschema gepflegt, so wird eine Meldung ausgegeben. Das Aufteilungsschema kann im Produktionsauftrag nun manuell gepflegt werden.

Das Aufteilungsschema kann über die Materialliste angezeigt werden (Materialliste à Zusätze à Abrechnungsvorschrift).

 

Ein Aufteilungsschema besteht aus:

  • einem Schlüssel, der das Aufteilungsschema identifiziert
  • einem Text, der das Aufteilungsschema beschreibt

Aufteilungsschema der Kuppelproduktion

 

und legt dabei Folgendes fest: 20

  • eine Liste der Kuppelprodukte, an die die Gesamtkosten für den Auftrag verteilt werden
  • welche Äquivalenzziffern pro Kuppelprodukt zur Aufteilung der Kosten verwendet werden
  • bis wann die Äquivalenzziffer pro Kuppelprodukt gültig ist

Aufteilungsschema der Kuppelproduktion

 

Auf Basis des Aufteilungsschemas erzeugt das System eine Abrechnungsvorschrift, welche die auf den Auftragskopf kontierten Kosten auf die Auftragspositionen (Kuppelprodukte) verteilt. Haben Sie kein Aufteilungsschema im Materialstammsatz oder in der Materialliste angegeben, so müssen Sie in der Abrechnungsvorschrift zum Auftragskopf die Äquivalenzziffern für die Verteilung angeben.

 

Fazit und Ausblick

In diesem ersten Teil des Blogbeitragsserie „Kuppelproduktion – die Abbildung mit SAP“ wurde mit Hilfe von Praxisbeispielen und Begriffsdefinitionen ein genereller Überblick über das Themengebiet der Kuppelproduktion gegeben. Die erforderlichen Voraussetzungen in den Bereichen Materialstammsatz, Stückliste und Aufteilungsschema spielen beim zweiten Teil der Serie zum Thema Kuppelproduktion mit SAP eine wichtige Rolle. Hier wird ein besonderes Augenmerk auf die Kalkulation von Kuppelprodukten gelegt.

 

Für Fragen zum ersten Teil unseres Blogbeitrags stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung und freuen uns, Sie auch bei der Fortsetzung begrüßen zu dürfen.