31.05.2022 | Leonhard Hoffmann
In jüngster Vergangenheit war die Blockchain-Technologie primär ein Gesprächsthema in der Finanzwelt. Mittlerweile entstehen aber auch interessante Anwendungsfälle in der Logistik und dem Supply Chain Management. Die Blockchain bietet Unternehmen einen Weg, Informationen für alle Parteien geschützt zu speichern, etwaige Partner sicherer in die Wertschöpfungsprozesse zu integrieren und Daten flexibel freizuschalten. In diesem Blogbeitrag wird näher darauf eingegangen, wie die Blockchain künftig im Transport- und Logistikmanagement eine wichtige Rolle spielen könnte.
Die Blockchain ist eine verhältnismäßig neue und spezielle Art der Datenspeicherung. Sie unterscheidet sich von herkömmlichen Methoden (wie zum Beispiel Clouds) insofern, dass sie nicht auf einem zentralen Rechner basiert, sondern auf einer weit verteilten, dezentralen Datenbank. Genauer gesagt bedeutet dies: Auf mehreren Rechnern liegen genau identische Kopien der gespeicherten Daten. Über diese Technologie ist es möglich, alle Akteure entlang der Supply Chain „End-to-End“ miteinander zu vernetzen. Sämtliche, auf sogenannten „Smart Contracts“ basierende Transaktionen zwischen Geschäftspartnern werden dort protokolliert, beziehungsweise verpackt, verifiziert, miteinander verknüpft und können weltweit geteilt werden. Innerhalb dieser Kette (= Blockchain) werden Administratoren und auch zwischengeschaltete Vermittler überflüssig, sodass die Kosten pro Geschäftsvorfall signifikant gesenkt werden können.
Sobald die Blockchain-Technologie in den Logistikprozess implementiert ist, kann sie viele Vorteile für die verschiedenen beteiligten Parteien bringen. Nachfolgend wird auf einige dieser Vorteile eingegangen.
Transparenz der Lieferkette und Rückverfolgbarkeit: Aufgrund des Mangels an vertrauenswürdigen Informationen neigen viele am Logistikprozess beteiligte Unternehmen dazu, zu viel für die Lieferung ihrer Waren zu bezahlen. Mit der Einführung der Blockchain kann die Fälschung von Dokumenten drastisch zurückgehen, da alle Daten in die Blockchain-Umgebung integriert sind und somit jede Partei den Status der verschiedenen Transportmittel in Echtzeit verfolgen kann. Darüber hinaus liefert sie zuverlässige Informationen über frühere Vorgänge.
Inventar- und Frachtverfolgung: Da es in der Lieferkette viele Teilnehmer gibt, von denen jeder sein eigenes System verwendet, erfolgt die Verbindung zwischen den verschiedenen Systemen über E-Mails, Meetings, Postsendungen usw. Die Verwendung dieser herkömmlichen Methoden führt zu einer Vielzahl von Problemen wie Frachtdiebstahl, Ungenauigkeiten oder Datenverlust. Blockchain kann diesen Prozess vereinfachen und die Probleme aus der Welt schaffen, indem sie allen Beteiligten in der Lieferkette Zugang zu einem gemeinsamen digitalen Dokumentenverwaltungssystem verschafft, in dem sie rund um die Uhr den Standort ihrer Fracht und ihres Bestands verfolgen können.
Herkunftsprüfung und Qualitätssicherung: Während des Transportprozesses sind Produktschäden, Lebensmittelverderb usw. unvermeidlich. Mit Blockchain kann die Herkunft von Produkten bis zu einem bestimmten Hersteller zurückverfolgt werden, wodurch ein vertrauenswürdiger Herkunftsnachweis erbracht wird. Darüber hinaus gewährleistet die Technologie die Einhaltung sämtlicher Normen, da sie einen Verstoß gegen die Transportbedingungen und die dafür verantwortliche Partei, ein verunreinigtes Produkt und dessen Herkunft automatisch erkennen kann, was wiederum wesentlich zur effizienteren Beilegung von Rechtsstreitigkeiten beiträgt.
Verbesserte betriebliche Effizienz: Da der Austausch verschiedener Dokumente, die Ausführung von Zahlungen, die Abrechnung von Tarifen, die Übertragung von Eigentumsrechten usw. von Mitarbeitern durchgeführt werden, sind Probleme wie Schreibfehler, Zeitverlust und Betrug innerhalb der Lieferkette unvermeidlich. Eine mögliche Lösung dafür sind Smart Contracts, da sie all diese Funktionen übernehmen und somit den Arbeitsablauf und die Geschäftsprozesse verbessern können.
Durch die stetige Weiterentwicklung der Blockchain-Technologie wird es möglicherweise in naher Zukunft zu gewaltigen Umwälzungen auf dem Finanzsektor kommen. Aber auch in der Logistik und im Supply Chain Management zeichnet sich ein deutlicher Wandel ab. Prozesse werden mit ihrer Hilfe automatisiert abgewickelt und können sicher dokumentiert und nachgewiesen werden. So auch Warentransporte, speziell innerhalb multi-modaler Lieferketten, die mitunter den gesamten Globus umspannen. Gerade in diesem Kontext ist die Distributed Ledger-Technologie auf dem besten Weg, mithilfe von Smart Contracts der aus rechtlichen Gründen noch immer dominierenden Papierflut den Garaus zu machen. Auch lässt sich die Abwicklung grundlegend vereinfachen und massiv beschleunigen.
Denken Sie hierbei beispielsweise an Frachtbriefe, die im Bereich der Schifffahrt nach wie vor zum Standard gehören. Diese in der Regel äußerst umfangreichen Handelsdokumente müssen kontinuierlich zwischen den involvierten Partnern umher geschickt werden, sodass neben dem Zeitaufwand enorme Kosten entstehen, die auf die eigentlichen Transportkosten aufgeschlagen werden müssen. Dies könnte zukünftig Geschichte sein. Denn die Blockchain ist in der Lage, diese Aufgaben in Windeseile abzuwickeln. Papier wird überflüssig und internationale Geschäfte werden durchgängig transparent – dies beginnt beim Bestelleingang und erstreckt sich bis hin zur Anlieferung der Sendung beim Empfänger.
Entsprechende Daten können von überall kommen, so etwa aus den ERP-Systemen der Unternehmen. In diesem Rahmen soll die Blockchain nicht bereits bestehende Systeme substituieren, sondern die Form der Datenspeicherung lediglich auf die nächsthöhere Ebene verlagern. Denn die Blockchain ist sowohl Protokoll als auch eine verteilte, von mehreren Parteien betriebene Datenbank, die aus einer Vielzahl dezentraler Knoten besteht, die untereinander einen Konsens zu finden haben.
Alle eingegebenen Daten werden in einzelnen Blöcken gespeichert, die verkettet und kryptografisch abgesichert werden. Jeder Block verfügt über ein Protokoll – ähnlich einem Geschäftsbuch –, in dem alle bis dahin getätigten Transaktionen abgebildet sind. Neu angelegten Blöcken wird von den bisher vorhandenen Blöcken eine Prüfsumme zugewiesen. Sogenannte „Miner“ sichern das Netzwerk, indem sie die Transaktionen verifizieren und versiegeln. Einmal versiegelte Blöcke lassen sich nicht mehr verändern oder löschen und die automatische Aktualisierung sorgt dafür, dass sämtliche Teilnehmer auf dem gleichen Informationsstand sind.
Je weit verzweigter und verteilter eine Datenbank, desto schwieriger ist es für potenzielle Angreifer von außen, Daten zu blockieren oder zu manipulieren. Ein weiterer wichtiger Vorteil: Die Blockchain arbeitet mit Kryptografie, das heißt das System verschlüsselt die jeweiligen Daten. Letztendlich kann also grundsätzlich jeder die Daten lesen, doch nur der, der auch den Entschlüsselungscode hat, kann sie entziffern.
Mithilfe der Blockchain-Technologie lassen sich relativ unkompliziert Datennetzwerke über Unternehmensgrenzen aufbauen. Um mehrere Akteure miteinander zu verknüpfen, musste man bisher individuelle Schnittstellen programmieren. In diesem Kontext gestaltet es sich allerdings oft problematisch, vertrauensvoll Daten auszutauschen. Blockchain-Plattformen setzen bei genau dieser Problematik an und schaffen Abhilfe. Und zwar können Netzwerkmitglieder genau definieren, welche Daten wer, wann und wie einsehen darf.
Doch wie eingangs bereits erwähnt, gibt es noch einige Hürden in technischer und auch rechtlicher Hinsicht (Stichwort: Datenschutz) zu meistern, bevor die Blockchain-Technologie im wirtschaftlichen „Mainstream“ angekommen sein wird. Pilotprojekte jedoch sind schon allerorts in Arbeit und zeugen bereits jetzt von den immensen Möglichkeiten, die sich in Zukunft durch die Blockchain-Technologie eröffnen werden.
Die Blockchain-Technologie konnte sich in jüngster Vergangenheit über ihr ursprüngliches Einsatzgebiet im Bereich der Kryptowährungen hinaus entwickeln und wird in Zukunft möglicherweise in vielen Branchen erhebliche Auswirkungen haben. Wie ein Kieselstein, der in einen See fällt, breiten sich die Wellen dieser Technologie in alle Richtungen aus und schaffen so Berührungspunkte mit vielen verschiedenen Geschäftsfeldern. So auch in Bezug auf die Logistikbranche, wo die Blockchain verspricht, Geschäftsprozesse effizienter zu gestalten und die Entwicklung innovativer neuer Geschäftsmodelle und Dienstleistungen zu erleichtern. Der Übergang von der derzeitigen Erprobung von Konzepten und Pilotanwendungen hin zum tatsächlichen Einsatz produktiver Lösungen in größerem Maßstab wird weitere technologische Entwicklungen, organisatorische Umgestaltung und vor allem die Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten erfordern. Der Erfolg hängt in diesem Kontext davon ab, dass alle Akteure im Transport- und Logistikmanagement zusammenarbeiten, um alte Prozesse umzuwandeln und gemeinsam neue Wege der logistischen Wertschöpfung zu beschreiten.