03.06.2020 | Reinhold Gieß
Viele Unternehmen stehen aktuell vor der Entscheidung, eine S/4HANA Transformation mit SAP EWM durchzuführen, welches auch eine embedded Variante in der On-premise Version erhalten hat. Dabei besteht die Möglichkeit, bis zum Ende des Supports 2027, noch auf SAP WM zu setzen und die gewohnten Funktionen zu behalten, ohne das Lagerverwaltungssystem zu verändern. Doch ist die Entscheidung langfristig auf SAP WM zu beharren auch sinnvoll?
Der Vorteil der Weiternutzung von SAP WM besteht darin, dass das gesamte WM sich in S/4HANA zunächst nicht ändert und eine komplette Migration ohne Umstellung derzeit möglich wäre. Wenig Aufwand, gleiche Effektivität, keine Änderungen.
Diese Tatsache klingt im ersten Moment sehr komfortabel und sinnvoll. Jedoch ist der derzeitige Stand der Dinge so gesetzt, dass SAP die Wartung und später die Nutzung der SAP WM Lizenzen einstellt. Es wird also am Ende zur Zwangsumstellung kommen. Eine Alternative bietet hierbei das SAP Stock Room Management, welches grundsätzlich auf SAP WM beruht, aber nur wenige Funktionen unterstützt. Mit dem Stock Room Management wird jedoch auch die Möglichkeit gegeben, die alten WM Lösungen selbst zu entwickeln und nachzubauen. Dahinter steckt allerdings ein immenser Kosten- sowie Zeitaufwand. Mit der Auslieferung des Stock Room Managements wird kein Task-and-Ressource Management, keine dezentralen Lösungen und kein Cross-Docking unterstützt, um nur einige wegfallenden Funktionen zu nennen. Zudem ist die Alternative auch nicht für Läger mit automatisierten Prozessen geeignet und setzt auf manuelles Arbeiten.
Es wird also in den meisten Fällen spätestens zu diesem Zeitpunkt zur Umstellung auf ein EWM System kommen. Wer bis dahin mit WM weiterarbeiten möchte, erhält für dieses Modul keine weiteren Updates und kann lediglich mit dem Support der SAP bis zum Lizenzende rechnen.
Eine sofortige Einführung von SAP EWM mit der S/4 Transformation würde zunächst einmal bedeuten, dass eine Entscheidung gefällt werden muss, ob die alte Lagerstruktur, so wie sie ist, übernommen wird, oder im selben Schritt eine Änderung vorgenommen wird. Es handelt sich dabei um eine klassische Greenfield oder Brownfield Entscheidung. Sollte die Entscheidung auf das Beibehalten der Strukturen fallen, kann eine Migration von SAP WM nach SAP EWM erfolgen. Die Migration beschränkt sich dabei nicht nur auf die Lagerstruktur, sondern kann auch auf verschiedene Strategien zur Ein- und Auslagerung erweitert werden, die aus dem WM übernommen werden können. Im Grunde kann das WM also in der Optik des EWM weitergenutzt werden. Der wesentliche Unterschied besteht darin, dass SAP WM direkt im ECC integriert war und nun selbst die embedded EWM Variante als quasi eigenes System betrachtet werden muss. So werden die bekannten Transportbedarfe und Transportaufträge im WM nun zu An- und Auslieferungen im EWM, die mit Lageraufgaben und Lageraufträgen bearbeitet werden. Diese können als interne Lieferungen zwischen dem EWM und dem ERP System betrachtet werden und entsprechen beispielsweise regulären Umlagerungen im WM. Die physischen Prozesse im Lager müssen dabei wenig angepasst werden.
Es ist ebenso möglich auf eine dezentrale Variante des EWM zu setzen. Dabei ändert sich die Art des Datenaustausches zwischen ERP und EWM System. Stammdaten werden in der externen Variante über CIF, IDoc Stacks übertragen. Die SAP fokussiert dabei die neuste Methode der Stacks und baut diese derzeit aus. Es soll zukünftig möglich sein das Data Replication Framework zu diesem Zweck zu nutzen. Vorteile der Methode sind eine gute Nachverfolgbarkeit und eine sichere Datenkonsistenz. Ebenso gibt es in diesem Modell nicht die Notwendigkeit komplizierte CIF-Modelle aufzusetzen und individuell immer wieder neue IDocs zu versenden.
Die Nutzung des dezentralen EWM bietet darüber hinaus die Möglichkeit, eine Umstellung von SAP WM zu SAP EWM bereits vor der gesamthaften S/4 Transformation durchzuführen und dort in einem Vorprojekt einzubinden, da SAP EWM in der dezentralen Version auch für R/3 Systeme verfügbar ist. Das dezentrale EWM kann in Folge der S/4 Transformation weiter genutzt werden. So würde die Umstellung entzerrt werden und die Komplexität der S/4HANA Einführung reduziert. Jedoch sei an dieser Stelle gesagt, dass sich ein dezentrales Extended Warehouse Management System eher für größere Unternehmen eignet.
Die SAP stellt Unternehmen weniger vor eine Wahl als mehr vor vollendete Tatsachen. Das Stock Room Management bietet keine wirkliche Alternative zu SAP WM oder SAP EWM. Hinzu kommt, dass mit der Zeit die Kosten für die Umstellung steigen und die Verfügbarkeit von SAP Beratern in diesem Feld sinken, da viele Unternehmen vor dieser Herausforderung stehen.
Daher bietet es sich an, vor der Transformation Vorprojekte zu starten und die Möglichkeiten zu den Anforderungen des Lagers zu analysieren. Das heißt: ein Mittelweg bestünde zunächst darin, frühzeitig Vorprojekte umzusetzen und sich auf eine Umstellung vorzubereiten. Die Einführung wäre also kein ad hoc Projekt welches viel Zeit beansprucht, sondern kleinere Projekte die schlussendlich zur erleichterten Einführung des EWM führen.
Die Möglichkeiten des Warehouse Managements nochmal im Überblick:
Unsere Empfehlung ist daher klar, sich frühzeitig mit der Umstellung zu beschäftigen. Es wird am Ende sehr wahrscheinlich kein Weg an SAP EWM vorbeiführen, weswegen es aus unserer Sicht besser ist, so bald wie möglich eine Umstellung anzustreben.
In vorherigen Blogbeiträgen sind wir bereits auf die Möglichkeiten und Vorteile von SAP EWM in mittelständischen Unternehmen eingegangen.
Einige Vorteile von SAP EWM gegenüber SAP WM:
Neben den bereits vorhandenen Funktionen arbeitet SAP weiter am Ausbau der Möglichkeiten in der Lagerverwaltung. Es kommen stetig neue Funktionen zur Verbesserung der User Experience hinzu. Beispielsweise ist es möglich über das Einspielen von SAP Notes die Einsatzmöglichkeiten des Radio Frequency, um Funktionen zum massenweisen Empfang von Handling Units auch mit Serialnummern zu erweitern oder die Nutzung von Packspezifikationen zu vereinfachen, indem eine neue Funktion zur Mengenanpassung hinzugefügt wird.
Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle nochmals die Migration aus SAP WM und der marginalen Veränderung, die an den Prozessen stattfinden muss. Ebenso wichtig an dieser Stelle zu erwähnen sind die Möglichkeiten, die in Folge der Umstellung gegeben werden, um Prozesse genauer abzubilden und mit steigendem Unternehmenswachstum auch komplexere Prozesse abzubilden.
Zur Migration bietet SAP einige Standardtransaktionen an. Da dennoch ein großer Aufwand hinter der Durchführung der Migration besteht, haben wir ein eigenes Migrationstool zu diesem Zweck entwickelt.
Umfang des ososoft Migrations-Tools ist die Migration der Strukturen und Prozesse aus dem WM in das neue EWM. Der Anwender wird durch einige Masken geführt, in denen die jeweilige Lagernummer ausgewählt und entsprechend zu dieser, die Migration konfiguriert werden kann. Die Selektion und Verarbeitung der Daten erfolgt im Anschluss im Hintergrund, ohne dass Migrationstabellen gefüllt, Transaktionen ausgeführt oder manuelle Down- und Uploads aus dem System erfolgen müssen.
In diesem Zusammenhang ebenfalls lesenswert ist der Artikel „Wie man S/4 HANA günstiger und schneller einführt“.
Mit der WM/EWM Thematik haben wir bei der ososoft uns bereits mehrere Male befasst. Kommen Sie jederzeit auf uns zu, sollten Sie Interesse oder auch nur eine Frage haben. Unsere Experten helfen Ihnen gerne.